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  28.März 2024 18:35:52

Seiten: 1 2 [3] 4 5 Antwort Überwachen Senden Sie dieses Thema Drucken
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 Thema: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”  (Gelesen 17556 mal)
doro
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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 22.Juli 2018 16:48:4 »
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Na, das war ja wohl Abenteuer pur, Birgit! Respekt!
LG Doro
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botswanadreams

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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 22.Juli 2018 17:34:59 »
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Wunderschöne Erinnerungen zeigst Du mir. In Dallol zu sein, ist wie auf einem anderen Planeten - die Farben, die Skulpturen, die Gerüche - unvorstellbar für Aussenstehende. Leider warst Du wohl zu kurz in dieser Region, denn da gibt es gleich nebenan noch mehr zu sehen.



Die skurrilen Bergformationen von Dallol

und die Salzminen heute genau so wie vor über 10.000 Jahren



Du möchtest ja glaube ich noch einmal hin. Nimm Dir bitte etwas mehr Zeit.

Danke für Deinen Bericht.

LG
Christa
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opossum

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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 22.Juli 2018 19:52:58 »
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Hmmmm, ja, man kann nicht alles haben: Ich wollte unbedingt noch nach Harar, und Dallol und Erta Ale waren mir genug...
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@nna

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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 22.Juli 2018 20:1:55 »
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Birgit, das ist ja der totale Hammer !!!!
Liebe Grüße
@nna
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Kängeruh
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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 22.Juli 2018 20:11:25 »
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Hallo Birgit,

einmalig - dies sind sicher Eindrücke und Erlebnisse, die Du nie vergessen wirst!
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opossum

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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 23.Juli 2018 05:27:33 »
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Ja, das war so ziemlich das größte Abenteuer meines Lebens!
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opossum

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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 23.Juli 2018 05:37:57 »
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27.5. Zum Erta Ale - the adventure continues

Miss Singapore und ich sind als erste schon gegen 6 Uhr wach und setzen uns nach draußen und quatschen. Vielmehr: Sie hat ein großes Mitteilungsbedürfnis. Aber wie sie in Addis Abeba gelandet ist und wie das Leben dort ist, ist ja auch interessant. Alle anderen schlafen noch, die fünf Jungs (Gere und die Fahrer) liegen in Schlafsäcken unter freiem Himmel und fanden es dort kalt. Miss Singapore und ich sind uns einig, dass es da sicher sehr angenehm war im Vergleich zu dem etwas warmen Zimmer, in dem wir geschlafen haben. Erst gegen 8 Uhr stehen die anderen auf, die scheinen allesamt einen gesegneten Schlaf zu haben!

Ach ja, und die Köchin ist auch schon eine Weile aktiv, sodass es kurz nach 8 Uhr Frühstück gibt mit leckeren Pfannkuchen mit süßen Aufstrichen, Rührei und Obst.





Es dauert noch eine Weile, bis es losgeht. Die Autos müssen erst mit der ganzen Ausrüstung beladen werden. Währenddessen stehen wir im Hof herum und lassen uns von den Kindern des Dorfes bewundern und bewundern unsererseits wiederum diese. Besonders ein Mädchen hat es mir angetan, die sich mit ihren anmutigen Zügen und grazilen Bewegungen zu einer wahren Schönheit entwickeln wird. Der King ist aber unser amerikanischer Mitreisender, der einen kleinen Fotodrucker dabei hat und jedem Kind ein aktuell geschossenes Foto überreicht.







Wir lernen noch ein bisschen Dorfleben kennen und gehen zu Fuß zu einem Café im Ort. Sinn davon ist zwei weitere Mitreisende zu treffen, die heute erst in Mekele eingetroffen sind. Die beiden sitzen schon da, dummerweise Dummschwätzer, besonders einer der beiden, beginnt jeden Satz mit “Hey, maaaaaan…” und hat so ein dämliches Dauergrinsen im Gesicht wie aus einem satirischen US-Comic. Der andere ist eine Mischung aus Naturbursche und Partylöwe und scheint immerhin etwas mehr Einfühlungsvermögen zu haben.

An der Stelle spaltet sich die Gruppe innerhalb von Minuten. Während die amerikanischen Mitreisenden das ertragen oder vielleicht auch gerne mitmachen, Miss France sich denen anschließt und sogar ein Krausnäschen zieht und flirtet, wende ich mich meinen Landsleuten zu, die ebenfalls auf dem Rückzug sind, Miss Singapore pendelt so ein wenig zwischen beiden Polen hin und her, schließlich sitzt sie mit allen anderen, die nicht deutsch sind, in einem Auto.

Nun ja, zunächst geht es noch sicher 2 Stunden über die geteerte Straße und ich habe mein Auto mit Gere für mich. Gere kennt kurz vor dem Abzweig auf die Piste genau die beiden Bäume, die bei den hier schon mehr als 40 Grad Schatten spenden für die Mittagspause. Die Köchin hat schon Nudeln und Gemüse vorbereitet, und direkt nach dem Essen geht es weiter.





Miss France meint auf dem Dach sitzend weiter reisen zu müssen. Gere wird sehr streng und fordert den Fahrer des Autos mehrfach per Walkie Talkie auf sie sofort ins Auto zu holen. Nach 5 Minuten gehorcht er endlich und Gere ist wieder ruhig.

Zunächst geht es über recht ordentliche Pisten durch Sand und zwischen kilometerweiten Lavafeldern hindurch. Nach einer Stunde sind wir bei einem Militärcamp aus Containern angekommen, in dem wieder die Suche nach dem lokalen Guide beginnt und wieder zwei Bewaffnete der Afar Police zusteigen. Es ist inzwischen brütend heiß, wieder um 45 Grad, und ich habe etwas Sorge, ob ich die knapp 10 Kilometer Wanderung zum Krater bei der Hitze schaffe.


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opossum

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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 23.Juli 2018 05:38:38 »
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Vor uns liegt eine abenteuerliche Fahrt zum “Basecamp”, quer über Lavafelder, teilweise steil und stufig wie Treppen. Hier hat das Fotografieren aus dem fahrenden Auto so gar keinen Sinn. Ich frage mich unterwegs, warum ich Eshetu nicht engagiere um mich in Erfurt in meinen vierten Stock zu fahren. Manchmal halte ich mir aus Spaß die Hände vor die Augen. Aber Eshetu, der selbst noch nie hier war, fährt wie der Teufel. Und Gere hat irgendwo ein paar Zweige Khat aufgetrieben und gibt mir ein paar Blätter zum Probieren, was ich aber zur Belustigung aller nach 2 Minuten angeekelt ausspucke.

Es steigen aber zunächst im Militärcamp der Afar-Mann mit warmen, wachen und neugierigen Augen bei uns ein, ein schweigsamer “local Guide” (Gere: "Don’t expect him to speak english. Of course we know the way, but we have to accept him, because they need the business”) und zu meiner Verwunderung ein Kind, meiner Schätzung nach vielleicht 3 Jahre alt, aber angeblich schon fast 5 Jahre alt. Das ist das Alter, in dem Kinder in Äthiopien üblicherweise zu arbeiten beginnen. Und es ist offenbar das Alter, in dem Kinder sich allein auf Reisen machen.

Niemand weiß, wie der kleine Mann vom Basecamp, in das wir nun fast 2 Stunden offroad fahren werden, hierher gekommen ist. Er sitzt erst wach, dann schlafend zwischen Gere und dem local Guide und reagiert nicht, sagt kein Wort, zeigt weder Angst noch Neugier, egal ob Gere versucht ihn ein bisschen zu provozieren, zu necken oder lieb mit ihm zu reden. Auch auf meine Handvoll für alle nach hinten gereichten Bonbons reagiert er nicht, nicht einmal, als Gere fragt, ob er nicht zu mir Ferenji “amasegenallu” (danke) sagen will. Kurz vor der Ankunft sagt Gere noch zu ihm, das sei gefährlich, was er gemacht habe, er solle es bitte nicht wieder tun. Und dann spricht der Kleine den einzigen Satz der Fahrt: “Ich werde es wieder machen” und wackelt davon. Ich habe ihn nicht wieder gesehen und auch nicht die Mutter, die angeblich hier im Basecamp lebt.

Das Basecamp besteht aus einer Reihe einfacher Hütten, bei denen Steine zu Mauern aufgeschichtet wurden und eine Plane als Dach darüber gebreitet wurde. Toiletten? Lauf einfach 90 Sekunden dort hinten hin hinter die Bäume. Wir setzen uns in den Schatten. Die Köchin stellt uns Melone hin, die beiden amerikanischen Dummschwätzer schwatzen dumm, wir warten auf das Abendessen und alle packen ihre Sachen zusammen, die sie für die Nacht am Krater brauchen. Die Kamele werden beladen mit Matratzen, Decken und Wasser.



Nach dem Abendessen (Suppe, Nudeln mit würziger Soße und Gemüse, Obst) geht es kurz vor Sonnenuntergang los. Jeder soll 2 bis 3 Liter Wasser mitnehmen und ein Tuch um die Ausdünstungen des Vulkans nicht direkt einzuatmen. Eshetu geht als einziger der Fahrer mit. Ich habe ihn gefragt bzw. fast darum gebeten. Er kennt den Vulkan noch nicht. Und während ich Ferenji in meinen knöchelhohen Wanderschuhen wieder 3 Flaschen Wasser, meine Stirnlampe und jede Menge unnützen Kleinkram mit mir herumtrage, steht das Naturkind kraftstrotzend in seinen stylischen Sneakern und mit einer angebrochenen Wasserflasche in der Hand und dem Handy in der Hosentasche schon da und will los. Taschenlampe? Ach wo, der Mond scheint doch! Gere tauscht Eshetus angebrochene Flasche gegen eine volle aus, und Eshetu geht mit Gere vorweg und erkennt den Weg, wo ich nur Felsen erkenne, die einer wie der andere aussehen.

Der Weg ist knapp 10 Kilometer lang. Die Temperaturen sind übrigens wirklich gut auszuhalten. Es ist warm, aber nicht heiß, angeblich zwischen 25 und 30 Grad, es geht Wind, sodass niemand übermäßig ins Schwitzen kommt. Die ersten etwa 20 Minuten geht es etwas anstrengend durch Sand, dann geht es mehr oder weniger flach oder nur unmerklich ansteigend über felsigen Untergrund, erst die letzte vielleicht dreiviertel Stunde geht es merklich bergauf zum Kraterrand, insgesamt sind es wohl 600 Höhenmeter. Eigentlich braucht man 3 bis 3,5 Stunden. Aber da ich derzeit leider mal wieder Lebendhöchstgewicht aufweise und nicht sehr fit bin aufgrund von etlichen Infekten innerhalb des letzten halben Jahres darf ich das Tempo vorgeben. Wir brauchen länger und sind nach knapp 4 Stunden oben mit 4 oder 5 Pausen zwischendurch. Dass man irgendwann auf etwa halber Strecke einen feuerroten Lichtschein am nächtlichen Himmel sieht, motiviert jedoch ohne Ende, auch wenn es so aussieht, als ob es noch mindestens 20 Kilometer weit sei.

Der Partylöwe-Dummschwätzer schwächelt mehr als ich. Offensichtlich hat er gestern Abend durchgesoffen und ist dann gleich ins Flugzeug gestiegen. Unsere Jüngste muss gekümmert werden. Sie ist gestürzt und hat eine kleine Schürfwunde an der Hand. Und ich bin irgendwie die Mama der Nation und darf Traubenzucker, Elektrolyte und Pflaster verteilen.

Endlich sind wir oben in einem “Militärlager”. Dieses besteht aus vielen etwa 30 cm hoch mit aufgeschichteten Steinen abgeteilten Parzellen und einer Art erhöhtem Ausguck. Die Toiletten? Da hinten, geh einfach irgendwie in diese Richtung dort...

Vor uns liegen nur noch ein paar Minuten, in denen wir erst abwärts in den Krater gehen und dann über erkaltete Lava bis zum Höllenschlund. Jede Müdigkeit ist in diesem Moment wie weggeblasen, es liegt eine angespannte und erwartungsvolle Stille über uns allen. Vor uns liegt roter Nebel, der aus dem Krater aufsteigt. Gere gibt sehr, sehr klare Anweisungen und zählt offenbar unablässig durch, ob noch alle da sind.

Außer unserer Gruppe ist nur noch ein japanisches Paar unterwegs, das jedoch offenbar schon schläft. Die sind auch etwa 1 Stunde vor uns im Basecamp gestartet.

Der Vulkan ist ein intensives Erlebnis für alle Sinne. Wir nähern uns vorsichtig der Kante und stehen direkt vor dem Tor zur Hölle. Die Lava ist rot-orange, beißende saure Dämpfe steigen auf und nehmen uns buchstäblich die Luft zum Atmen. Der Vulkan kann sich in verschiedenen Zuständen präsentieren, heute schauen wir in kochende Lava, nur leider liegt meistens Rauch darüber.

Gere schießt los und sucht eine rauchfreie Stelle, an der man die vulkanische Aktivität sehen kann und findet eine. Er warnt vor den beißenden Dämpfen, die schwallweise aufsteigen und die Luft abschneiden. Er sagt Bescheid, wenn eine solche Wolke kommt. Dann sollen wir uns abwenden und nahe an den Boden kauern, dass die Dämpfe über uns hinwegziehen und ein Tuch vor Mund und Nase nehmen. Nicht rennen, den Gasen kann man ohnehin nicht entgehen und die Unfallgefahr ist auf der brüchigen, porösen, löchrigen Lava mit den scharfen Kanten groß.

Mir bleibt aber vor allem von dem Anblick der Atem weg. Gelbe Linien schießen durch die Lava. Leider kann man es kaum fotografieren, selbst mit einer ordentlichen Kamera nicht. Ohnehin bin ich in diesem Moment so intensiv dabei, so fasziniert und aufgeregt, dass das Fotografieren sowieso keine Option ist für mich. Ich habe das Aufregendste erlebt, was die Erde zu bieten hat, ich kann aufhören zu reisen.

Eshetu scheint es ähnlich zu gehen. Wir stehen ergriffen gemeinsam am Krater nur etwa einen Meter vor der Abbruchkante und starren in die unheimliche Tiefe und beobachten das krasse Schauspiel, das sich uns bietet. Er passt gut auf mich auf, fasst mich an der Hand, “careful, careful!” Mein Gott, in Deutschland würde man nie, nie, nie im Leben so nah herangehen dürfen!
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opossum

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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 23.Juli 2018 05:39:30 »
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Ich wurde hinterher gefragt, ob es nicht unerträglich heiß dort war. Ich erinnere mich nicht, zu viel Input! Aber ich glaube, es war nicht heiß. Ich frage im Nachhinein zur Sicherheit Gere, warum es nicht heiß gewesen ist: Der Krater ist zu tief, die Hitze verflüchtigt sich, bis sie oben ist.







Wir verlassen gemeinsam den Krater und gehen zurück zum Lager, wo inzwischen Matratzen und Decken ausgebreitet sind. Wir hauen uns hin, so wie wir sind, es wird mehr ein Nickerchen unter freiem Himmel als ein richtiger Nachtschlaf. Die Decke braucht man hier oben schon, denn bei etwa 20 Grad geht auch Wind, zu frisch, wenn man nur da liegt.
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doro
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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 23.Juli 2018 08:29:46 »
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  shocked Wahnsinn! Unglaublich! Da fehlen mir die Worte!
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opossum

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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 24.Juli 2018 04:47:44 »
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Ja, die Dallol und Erta Ale waren so ziemlich die eindrücklichsten Reiseerfahrungen meines Lebens, die ich um keinen Preis missen wollte. Ich musste weit raus aus meiner Komfortzone, habe das aber an keiner Stelle als wirklich unangenehm erlebt.

Ich hoffe nur, es macht mich nun nicht süchtig nach noch mehr und noch mehr "Challenges".
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opossum

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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 24.Juli 2018 04:48:22 »
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29.5. Nach Lalibela

Beim Frühstück genieße ich noch einmal das Internet, das ich nun 2 Tage lang nicht hatte. Nicht zu fassen, wie sehr ich mich in den letzten Jahren davon abhängig gemacht habe. Umso besser, dass es hier einfach nicht immer verfügbar ist. An so ziemlich allen Orten gibt es gute und schlechte Zeiten und Tageszeiten, zu denen im Hotel WLAN zur Verfügung steht. Und mein GlocalMe funktioniert hier auch nicht. Gut, dass es noch so geht ohne jede Minute online zu sein...

Die Fahrt ist lang. Wir werden nahezu den ganzen Tag unterwegs sein. Auf der Fahrt werde ich ganz still und bin so froh, dass ich so unsagbar Schönes erleben darf, dass ich aus einem Land komme, in dem ich mir das Reisen leisten kann, dass mein Pass einer der mächtigsten Pässe der Welt ist und mir das Reisen in so viele Länder problemlos ermöglicht. Eine tiefe Dankbarkeit breitet sich in mir aus. Eshetu, so still er auch oft ist, scheint das zu spüren und dreht die Musik zwischendurch nicht ganz so laut auf. Dass mir zwischendurch immer noch von Ergriffenheit über die Erlebnisse der letzten Tage die Tränen laufen, bekommt er jedoch nicht mit...

Zwischendurch eine Kaffeepause in einem kleineren Ort. Hier gibt es den Kaffee, wie es sich gehört mit Weihrauch dazu und mit Gras auf dem Boden.

Das Kaffeetrinken ist ohnehin hier im Land von großer sozialer Bedeutung. Man besucht sich gegenseitig, der Kaffee wird nach bestimmten Regeln zubereitet und nach bestimmten Regeln getrunken. Ausreichend Zeit, Grashalme, Weihrauch und die typische Kanne gehören immer dazu, oft wird Popcorn dazu gereicht. Übrigens gehört der Weihrauch selbst im Café im Terminal eines Provinzflughafens dazu.

Und so besucht man sich in seiner festen Kaffeerunde in den Dörfern reihum und trinkt überall Kaffee, bespricht die großen und kleinen Probleme des Alltags. Und so wird das Kaffeetrinken quasi zum Therapieersatz und zur Selbsthilfegruppe.





Die Landschaft wird grüner, doch leider ist es ziemlich diesig. Wir fahren durch sehr ländliche Gegend, besonders auf der letzten Stunde fahren wir durch Dörfer. Kinder laufen neben dem Auto her. Mein Gott, wie die rennen können! Der eine oder andere wird dann vielleicht der nächste berühmte Langstreckenläufer. Ich kann meine Amharisch-Kenntnisse aufpeppen: “Caramella” (Bonbon) und “Scribito” (Kugelschreiber) werden verlangt und natürlich “money”, aber ich bleibe hart.

Auch Kinder der Dritten Welt sollen zur Schule gehen und nicht so früh schon lernen, dass man anders ein bequemes Leben haben kann. Und so finde ich es wichtiger vertrauenswürdige Organisationen vor Ort zu unterstützen, die dafür sorgen, dass die Spende dort landet, wo sie hilfreich ist. Übrigens führt auch Muller einen gewissen Prozentsatz seines Gewinns an ein Dorf in den Simien Mountains ab um die dortige Schule zu unterstützen. Das finde ich großartig und unterstützenswert. Leider habe ich bisher keine Möglichkeit gefunden mich dort dranzuhängen, außer mit sehr teuren Überweisungen aus dem Ausland ist da leider derzeit nichts möglich.











Und da wir gerade bei schwierigen Themen sind: Nicht, dass bei meinen schwärmerischen Beschreibungen der Eindruck entsteht, dass Äthiopien das bisher unentdeckte Paradies ist. Natürlich hat das Land Probleme.

In so manchem Dorf liegen bergeweise Plastikflaschen, die mit Sicherheit nicht fachkundig entsorgt werden. Am Erta Ale warf einer der Einheimischen vor unser aller Augen seine leere Flasche in hohem Bogen in die Landschaft, und auch Eshetu ließ das eine oder andere Mal sein Bonbonpapier aus dem Fenster flattern.

Laut Statista konnte 2015 etwa die Hälfte der Erwachsenen Äthiopier nicht lesen und schreiben, während mir andererseits so strebsame und gebildete Menschen begegnet sind, und eine gute Arbeitsstelle nach deren Auskunft auch für Gebildete nicht selbstverständlich ist.

Das Land hat ein riesengroßes Trinkwasserproblem. Weniger als die Hälfte der Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, und der Tourist (auch ich) mosert, wenn mal kein ausreichender Wasserdruck auf der Leitung liegt.

Dürre, Wasserknappheit, Armut, Bettelei, Hunger, Krankheiten sind keine Themen, mit denen man sich gerne konfrontiert sieht, aber dennoch sind sie hier Realität und können und dürfen nicht ignoriert werden und dürfen gerne auch hier ihren Platz haben. Dennoch sind sie nicht das ganze Land, auch wenn diese Themen das Bild vieler von diesem Land prägen.
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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 24.Juli 2018 04:48:34 »
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Das Land braucht - wie so viele Entwicklungsländer - das Geld, das unter anderem auch Touristen ins Land bringen, und die Menschen vor Ort brauchen auch Geld. Daher ist mir schon klar, dass ich für den einen oder anderen ein ATM auf zwei Beinen bin, dass ich mit Sicherheit nahezu durchgehend Preise genannt bekomme, die um ein Vielfaches höher sind als ein Einheimischer sie zahlt. Und natürlich ist das anstrengend sich immer wieder Gedanken machen zu müssen, ob ich hier oder da genügend oder unangemessen viel Trinkgeld gegeben oder für etwas zu viel bezahlt habe. Aber immerhin kann ich mir durch meinen Reisestil und meine Reiseorganisation ein “hasslefreies” Reisen ermöglichen und mich somit voll auf das Land einlassen, es in mich aufsaugen und aus vollem Herzen ein gutes Wort für das Land einlegen um andere zu ermutigen es ebenfalls zu besuchen, sodass dem Land auch dadurch wieder etwas Gutes getan wird.

Meine persönliche Meinung: Unterstütze ich lokale Unternehmer statt großer deutscher Reiseveranstalter, gebe ich im Land mein Geld aus, zudem deutlich weniger als wenn ich die großen deutschen Agenturen beauftrage. Lasse ich mich einerseits nicht übers Ohr hauen und setze mein Geld so ein, dass es mir das bestmögliche Reiseerlebnis gibt und möglichst viel von dem Geld, das es mich kostet, ins Land bringt, entsteht eine Win-Win-Situation. Danach handele ich seit Jahren, egal, ob es um Asien, die Karibik oder jetzt auch Äthiopien geht. Und wieder mal bin ich gut damit gefahren! Voraussetzung ist natürlich eine vernünftige Recherche, damit ich auch Qualität bekomme und nicht vor Ort im Stich gelassen werde.

Und mit diesen Überlegungen komme ich in Lalibela an. Das Hotel Tukul Village liegt an einer Straße, wo es ein paar wenige Restaurants und sogar eine nette Kneipe gibt, etliche Souvenirshops. Ich gehe ein wenig durch den Ort und kaufe weiße Webschals als Souvenirs.

Bei meiner Rückkehr zum Hotel sitzt Eshetu dort und bei ihm der Guide Masresha, der mir morgen Lalibela zeigen wird. Das Restaurant des Hotels ist laut Masresha gut. Ich bestelle mir etwas zu essen und lade ihn und Eshetu zu einem Bier ein, aber Masresha will kein Bier und geht nach Hause. Eshetu und ich sitzen einträchtig einander gegenüber. Das Essen hier ist wirklich super, das Internet gut. Was will ich mehr?
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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 24.Juli 2018 21:51:42 »
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30.5. Lalibela

In Lalibela wurden vor fast 1000 Jahren, veranlasst durch König Lalibela, 11 Kirchen in den Fels gehauen. Und das haben nicht nur Menschen getan, auch Engel haben geholfen und nachts heimlich weiter gearbeitet. Lalibela wollte ein afrikanisches Jerusalem nachbauen, und so ist das gesamte Ensemble voll von Symbolik. Es gibt eine Grabeskirche, den Jordan und einen Ölberg. Ich bin wahnsinnig gespannt, denn so ziemlich das erste, was man zu sehen bekommt, wenn man sich über Reiseziele in Äthiopien informieren will, sind Bilder der Georgskirche in Lalibela.

Masresha hat gesagt, es geht um 8.30 Uhr los. Also stehe ich um 8.30 Uhr parat, und wir fahren ein paar Minuten zur westlichen Kirchengruppe. Das ist auch die Gruppe, die älter ist. Wir folgen also der Historie.

Die Kirchen wurden von oben nach unten aus dem Fels herausgearbeitet, erst das Äußere, dann auch das Innere, wobei kunstvolle Gewölbe aus dem Stein herausgearbeitet wurden.

Ich bewundere die unterschiedlichen Kreuzformen und wundere mich, dass man ein Kreuz auf unzählige Arten und Weisen darstellen kann.

Die Kirchen hier haben wie alle Kirchen in Äthiopien drei Bereiche: Einen Bereich für alle zum Chanten, einen, in dem die heilige Kommunion ausgegeben wird und einen inneren Bereich, der nur den Priestern, Mönchen und Diakonen vorbehalten ist. Auch gibt es drei Türen: Eine Tür für Männer, eine Tür für Frauen und eine für die Priester.

Wir halten uns lange in der ersten Kirche auf, der Bete Medhane Alem, und Masresha lässt mich nach seinen Erklärungen ausgiebig alleine in der Kirche schauen und zieht sich zurück, Ich will die Atmosphäre des Ortes auf mich wirken lassen. So halten wir es übrigens auch bei den anderen Kirchen. Ich brauche Zeit für mich und will nicht jede Sekunde unter Beobachtung stehen. Und da ich nicht in einer Gruppe reise, kann ich das so für mich entscheiden.













Es ist aber auch absolut sinnvoll einen Ortskundigen dabei zu haben. Natürlich kann ich auch alles im Reiseführer nachlesen, aber der Reiseführer beantwortet mir keine Fragen. Und vor allem kann ein Guide, und das erlebe ich hier nicht zum ersten Mal, den Weg ebnen für das, was allein vielleicht an Sprachbarrieren gescheitert wäre:

Ich höre von Ferne Chanten und unterbreche Masresha in seinen Ausführungen und will wissen, woher das kommt. Masresha fragt einen Mönch oder Priester, der ihm erklärt, wo das Chanten gerade stattfindet. Es handelt sich um eine Kirche, die für Touristen eigentlich nicht zugänglich ist. Und schon geht es auf und ab über Felsen, Treppen, durch schmale in den Felsen gehauenene Gänge und unter Baugerüsten hindurch direkt zu der Kirche, wo es stattfindet. Ich bekomme eine kurze Instruktion, wohin ich mich stellen kann und dass ich auch Fotos machen darf, und ich fühle mich wie unsichtbar. In diesem Moment hat Masresha bei mir gewonnen. Das wäre ohne ihn allein oder auch in einer größeren Gruppe nicht möglich gewesen.







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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 24.Juli 2018 21:52:45 »
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Wir lassen uns ausreichend Zeit in diesem Komplex. Außer uns ist noch eine deutsche Gruppe unterwegs in cremefarbenen Westen und praktischen khakifarbenen Hosen und mit Hüten auf dem Kopf. Die lasse ich gerne vorgehen, während ich irgendwo sitze und Leute ansehe: So viele Gläubige sitzend oder stehend mit der Bibel in der Hand!











Vor dem Mittag kommt die bekannteste der Kirchen, die Bete Kiddus Georgiys, die einzige der Kirchen in Kreuzform, ebenfalls ohne moderne Hilfsmittel aus dem Fels herausgeschnitten und ausgehöhlt. Diese symbolisiert die Arche Noah, und steht man unten vor der Kirche, sieht man oben einen Olivenbaum, der den Ölzweig symbolisiert, den die Taube vom Berg Ararat brachte, nachdem die Sintflut beendet war.

In Nischen im Fels rund um die Kirche liegen völlig ungeschützt menschliche Skelette, Nonnen und Mönche, die als Pilger kamen und hier starben.





Es ist Mittag und Masresha parkt mich für 2,5 Stunden in einem Restaurant hoch über den umgebenden Hügeln mit einem super Rundum-Blick. Leider ist es wieder diesig, aber ich kann Raubvögel beobachten, die auf meiner Höhe über der Landschaft kreisen.

Warum soll ich hier 2,5 Stunden sitzen? Dass die Kirchen mittags schließen, hätte ich ganz gern vorher gewusst. Aber in diesem Lokal gibt es nicht nur den Ausblick, sondern auch WLAN, insofern ist alles OK.

Gestärkt und erholt geht es zur östlichen Kirchengruppe. Bevor wir diese betreten, erklärt Masresha mir den symbolischen Ölberg und den symbolischen Jordan, die das Stadtbild von Lalibela prägen. Und auf geht es durch noch viel mehr Gänge und Schluchten um die hiesigen Kirchen anzusehen.






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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 24.Juli 2018 21:53:1 »
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Am Nachmittag nutze ich nochmals die Gelegenheit durch die Shops zu streifen. Ich treffe nochmals Eshetu, mit dem ich Bier trinken gehe in eine ordentlich aussehende Kneipe. Für die 5 Bier zu je 0,33 Litern zahlt er keine 100 Birr, also keine 3 Euro.

Eshetu erhält sein hoffentlich angemessenes Trinkgeld, und ich schenke ihm den Anschluss mit den 2 USB für den Stromanschluss im Auto. Dann kann er immer gleichzeitig von seinem Stick Musik hören, das eigene Handy laden und auch ein Gast kann sein Handy ebenfalls laden. Irgendwie ist er mir ja doch ans Herz gewachsen, damit hätte ich zu Beginn der Tour nicht unbedingt gerechnet. Wer weiß, vielleicht sehen wir uns bei einer weiteren Reise wieder.
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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 25.Juli 2018 18:26:58 »
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31.5. Nach Harar

Ich denke, da es erst gegen 10.30 Uhr mit einem Hotelshuttle zum Flughafen geht, kann ich ausschlafen. Na ja, das dachte ich nur. Heute ist Feiertag des heiligen Georg, und so schallt ab 6 Uhr oder vielleicht schon ab 5 Uhr der Gottesdienst von der gegenüber liegenden Georgskirche zu mir herüber. Aus anderen Reiseberichten wusste ich, dass Gottesdienste teilweise laut übertragen werden. Und auch in Axum war ein langer, langer Gottesdienst ja meine Lautuntermalung beim Abendessen. Ich stelle mich auf den Balkon. Und während man normalerweise sagt, ein Platz sei schwarz vor Menschen, ist das, was ich sehe, weiß vor Menschen: Wie die Ameisen wuseln weiß gekleidete Kirchgänger den Anhang hoch zur Georgskirche.



An der Stelle: Falls sich jemand über die langen Stöcke gewundert hat, die auf den Kirchenbildern von gestern so ziemlich jeder in der Hand hält: Gottesdienste dauern locker mal 2,5 bis 3 Stunden und werden im allgemeinen im Stehen abgehalten. So ein Stock ist da schon sehr praktisch: Man kann ihn schräg vor sich in den Boden stemmen und sich dann ganz gemütlich zum Ausruhen für ein Nickerchen darauf ablegen.

Auch an anderen Stellen sind Stöcke immer sehr hilfreich und oft dabei, alternativ auch mal die Knarre statt eines Stocks: Man kann damit das Vieh vor sich hertreiben, sein Gepäck daranhängen oder sich das Teil waagerecht in den Nacken legen und die Handgelenke locker und entspannt darüber baumeln lassen...

Schreck in der Morgenstunde. Ich realisiere, dass das Datenroaming an meinem Telefon nicht ausgeschaltet ist! Irgendwie ist der Tag gelaufen bei der Vorstellung, dass ich nun unter Umständen den Gegenwert eines Gebrauchtwagens zahlen soll für ein paar Nachrichten und hochgeladene Fotos. Zum Glück kann ein Anruf per Skype bei der Telekom mich beruhigen. Das Datenroaming einfach einzuschalten, reicht nicht, es muss von mir extra per SMS beauftragt werden, zudem ist der Betrag gedeckelt. Puuuuuh!

In einem Shuttle mit ein paar einheimischen Reisenden geht es zum Flughafen Lalibela. Auch dieser ist winzig. Dennoch gibt es einen ausführlichen Check von Pass und Ticket bei der Zufahrt, nochmals vor Betreten des Flughafens mit vollständigem Check des Gepäcks. Das ist hier immer so, ähnlich wie in Indien.



Ich fliege über Addis nach Harar. Das Fliegen hier ist easy, nur werden Flugzeiten gerne mal geändert. Ich sitze in einer nur halbvollen Maschine nach Addis und dann geht es auch schon weiter. Kurzfristige Flugzeitenänderung, Mittagessen fällt aus!

Der Flieger nach Dire Dawa, dem nächstgelegenen Flughafen zu Harar, geht weiter nach Dschibuti. Hier sitze ich neben Alex aus Dschibuti, einem aufgeweckten Kerlchen, Geschäftsmann, Mischung aus einem jüngeren Denzel Washington und Eddie Murphys Agilität, nur nicht ganz so wie auf Speed. Echt nett mit ihm. Wir quatschen die ganze Stunde des Fluges. Das erste Mal im Leben verabschiede ich mich mit einer Umarmung von einer Zufallsbekanntschaft, und kaum angekommen, tauschen wir unsere Erinnerungsselfies aus.



Ich werde am Flughafen wieder zuverlässig abgeholt, nur dauert es ein wenig, bis ich herausgefunden habe, dass nur bestimmte Fahrzeuge auf den Parkplatz direkt vor dem Terminal kommen dürfen. Und so muss ich ein paar Meter weiter. Die ganzen Taxi-Fahrer und anderen hier herumstehenden Menschen stehen schon Spalier bis zu “meinem “ Fahrer, offenbar wurde die Ferenji schon vermisst. Er nimmt mir meine Tasche aus der Hand und geleitet mich zu einem viel zu großen Minibus. Aber halt, soooo schnell geht das nicht. Ich will zunächst wissen, ob ich bei ihm richtig bin, bevor ich selbstverständlich einsteige. Er versteht das sofort und hält mir das Schild mit der Aufschrift “Simien Eco Trek” unter die Nase. Also alles OK!

Die Sonne scheint nachmittäglich golden auf Berge. Das sieht toll aus! Leider bin ich zu faul einen Fotostopp einzufordern. Wir durchqueren eine überfüllte und agile Kleinstadt, in der gleich mehrere Menschen in das Auto nach meinem Unterarm greifen, der im geöffneten Fenster liegt. Es wird mir zu viel und sich schließe das Fenster. Neugierige Blicke verfolgen mich natürlich trotzdem. Überall tragen die Menschen riesige Bündel mit Zweigen von Khat mit sich herum.

Als wir uns dem Ras-Hotel in Harar nähern, sehe ich sofort, dass ich erwartet werde. So, wie ich Muller kenne, ist der Mann dort, der lässig an einem Rondell vor dem Hotel lehnt,  mein Guide. Und klar, das ist Biniyam. Ein großer Rastaman kommt auf mich zu, heißt mich willkommen, checkt mich ein, trägt mir das Köfferchen ins Zimmer, gibt mir seine Karte nebst der Aufforderung ihn jederzeit bei Fragen von der Rezeption aus anzurufen  und verabredet sich mit mir für morgen nach dem Frühstück.

Ich habe Kohldampf, schließlich ist das Mittagessen ausgefallen. Im Hotelrestaurant gibt es Doro Wot, das ist Hähnchen und ein ganzes Ei in scharf gewürzter Soße und mit Injera.

Und nun ist es dunkel, in der islamisch geprägten Stadt Harar hat das Fastenbrechen jetzt im Ramadan begonnen, und ich will zu einem ersten Erkundungsgang in die Altstadt aufbrechen.

Harar ist nochmals völlig anders, besonders jetzt in der Dunkelheit: Wild und atemberaubend! Ausdrucksvolle Gestalten begegnen mir, einige sichtlich gezeichnet von der lokalen Droge Khat, einige gezeichnet von Armut. Einige wirken indisch angehaucht, andere wirken biblisch, wieder andere in dem Ausdruck ihres Schicksals fast gruselig. Fröhliche Menschen, geschäftige Menschen, Blinde, Kinder, Alte, Familien. Öfter als anderswo werde ich angebettelt, offener als anderswo werde ich angestarrt. Öfter als anderswo werde ich angesprochen.

Ich stehe mit offenem Mund vor den vielen Haufen mit ausgebreiteten Khat-Zweigen, die auf Plätzen angeboten werden und von den potenziellen Käufern sorgfältig geprüft werden.

Hier ein Bild des Khat, was ich mir am nächsten tag habe mitbringen lassen. Leider habe ich an diesem Abend fast gar keine Bilder gemacht.



Zwei junge Frauen begegnen mir. Eine trägt einen Stock ähnlich wie Blinde einen Stock in der Hand haben um den vor ihnen liegenden Untergrund abzutasten. So ganz kann ich das nicht einordnen und hüpfe zur Sicherheit vom Gehweg auf die Straße. Das finden die beiden lustig. Sie denken, ich habe Angst und sprechen mich an. Wenn ich die Gesten der einen richtig verstehe, fragen sie mich, ob ich wirklich Angst vor ihnen habe. Wir lachen gemeinsam, ich gehe weiter meines Weges.

In die schmalen dunklen Gassen mag ich allein nicht gehen, und ohnehin ist es ziemlich spät geworden. Ich mache mich somit auf den Rückweg und darf noch einen echten “Bodycheck” erleben, offenbar eine Mutprobe oder was auch immer. In diesem Fall nicht soooo angenehm, weil ich mich auf dem begrünten Grünstreifen auf der breiten Straße bewege, um mich herum nur fahrende Autos, Fußgänger sind gerade nicht in der Nähe. Es ist dunkel.
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opossum

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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 25.Juli 2018 18:27:12 »
Antwort mit Zitat nach oben
Nun denn, ich komme wohlbehalten am Hotel an und trinke noch etwas auf der Terrasse vor dem Hotel: Gin-Tonic und ein großes Glas von dem tollen Papayasaft. Ich bin wahnsinnig gespannt auf morgen, habe meine Guide-Phobie abgelegt und bin sicher, dass ich einen tollen Tag mit Biniyam haben werde.

Ich nehme noch vorweg, dass das Hotel zwar insgesamt gut ist, besonders die Lage, dass aber das Bad in meinem Zimmer unter aller Kritik schlecht und verkommen ist: Winzig klein und so eng, dass ich alle paar Sekunden an die verkeimten Wände stoße. Der Abfluss funktioniert nicht ordentlich, das Ding ist veraltet und vergammelt. Ich passe beim Duschen abends sorgfältig auf, bloß nichts zu berühren und auch nichts von dem, was meins ist, fallen zu lassen oder irgendwo abzulegen.

Am nächsten Morgen werde ich Rabbatz machen und ein neues Zimmer verlangen, denn offen stehende Türen hier im Hotel haben mir gezeigt, dass es sehr wohl angenehmere Bäder hier gibt. Normalerweise wäre ich zur Rezeption gegangen, aber da ich nicht selbst gebucht habe, geht das hier nicht. Und außerdem, lieber Muller, verzeih mir, falls du das liest: Es ist ein Test, denn die Qualität eines Unternehmens erkennt man an dessen Umgang mit Reklamationen. Ich werde also morgen nach dem Frühstück nachdrücklich ein neues Zimmer verlangen. Test  bestanden: Eine viertel Stunde nach dem Absenden einer entsprechenden Nachricht steht jemand vom Management in Begleitung einer jungen Frau in meiner Zimmertür und bittet mich ein anderes Zimmer anzusehen. Ob ich damit einverstanden sei? Ja? Gut, das neue Zimmer ist in 10 Minuten fertig, hier ist schon mal der Schlüssel, ich kann gerne umziehen.
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doro
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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 25.Juli 2018 20:6:1 »
Antwort mit Zitat nach oben
Lalibela war für mich ein Wunder! Ein Weltwunder.
Wie konnte man damals solche Bauten schaffen?
Das ging sicher nur mithilfe von Engeln.  grin 

Da ich grad Deine Fotos mit diversen Teppichen in den Kirchen gesehen hab....wie war es mit Flöhen dort oder anderswo?  wink

LG Doro
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opossum

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Re:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #40 am: 25.Juli 2018 20:14:24 »
Antwort mit Zitat nach oben
Ha ha, ja, vor den Flöhen hast du mir ja ordentlich Angst gemacht.

Ich bin bewaffnet mit Deet-Sprays für Haut und Kleidung losgedüst, hatte einen Sarong mit Insektenschutz dabei.

3 Tage vor der Abreise habe ich noch Ungeziefer-Vernichter gekauft und in Griffweite hinter meine Wohnungstür gestellt.

Wie immer habe ich es nicht lange durchgehalten und bin ohne jeden Schutz losmarschiert, die hoch gelegenen Orte sind ja auch malariafrei.

Ich habe nichts mitgebracht und auch das Ungezieferspray wieder ungenutzt in den Schrank gestellt.

Mein Freund hatte sich dann nur ein bisschen gewundert, dass ich noch Wochen später panisch auf jeden dunklen Fussel und Krümel im Bett reagiert habe bis ich ihm das erklärt habe, woraufhin er dann auch begann panisch nach allen dunklen Krümeln und Fusseln im Bett zu gucken, als meine Panik sich schon längst wieder beruhigt hatte...

EDIT: Ich hatte übrigens keine Mückenstiche oder nur vielleicht 2 oder so, auch ohne mich einzusprühen.
« Letzte Änderung: 25.Juli 2018 20:26:49 von opossum » Moderator benachrichtigen   Gespeichert
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