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  29.März 2024 08:34:57

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 Thema: Indien - ein anderer Reisebericht  (Gelesen 2385 mal)
My4Seasons

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Indien - ein anderer Reisebericht
« am: 9.März 2015 23:6:26 »
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Ein paar Informationen vorweg:

Unsere erste Reise ist ca. 25 Jahre her und ging nach Delhi, Agra, Rajasthan und Varanasi.
Höhepunkte: Taj Mahal am frühen Morgen, Diwali in Jaipur, Kamelmarkt in Pushkar, heilige Stadt Varanasi

Die zweite Reise fand wenige Jahre später statt und ging nach Bombay, Goa, Hyderabad, Kerala.
Nur ein Höhepunkt: 2 Tage auf einem schönen Hausboot in den Backwaters von Kerala.

Im Oktober 2014 waren wir nach ca. 20 Jahren ein drittes Mal in Indien - Amritsar, Varanasi, Kalkutta, Orissa.
Höhepunkte: Durga Puja in Kalkutta, der Goldene Tempel von Amritsar, ein kleiner Ort in Orissa.

Reiseform: jeweils individuell, als Paar,  mit Bus, Taxi, Bahn und Inlandsflügen.  Keine Luxusreisen mit Privatfahrer und Luxushotels, sondern selbstorganisiert und "economy".

Die Schönheit eines Reiseziels verhält sich nicht proportional zur Entfernung.
Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet.
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My4Seasons

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Re:Indien - ein anderer Reisebericht
« am: 9.März 2015 23:17:25 »
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Impressionen aus Kalkutta

Rund um das wunderschöne, blendend weiße Queen Victoria Memorial ist alles blitzsauber, es gibt sorgfältig geschnittene Hecken, keine Obdachlosen, keinen Müll. Alles perfekt.

In der Innenstadt sprengen Bäume viele einstmals schöne Häuser aus der Kolonialzeit. Wir erfahren, dass sie z.B. leer stehen, wenn ein Gericht verfügt, dass während der Klärung von Erbschaftsstreitigkeiten niemand das Haus bewohnen darf. In der zähen monströsen Bürokratie Indiens ziehen sich die Verfahren oft viele Jahre und Jahrzehnte hin; in der Zwischenzeit sprengen Wurzeln das Mauerwerk.

Kalkutta ist ein harter Brocken.

Sehr irritierend finden wir eine Toilette, an der wir gelegentlich vorbei kommen: sie wurde vom örtlichen Rotary Club gestiftet - und stinkt erbärmlich. Was für ein Unterschied zu Peking! Dort gibt es in den alten Wohnsiedlungen (Hutongs) zwar immer noch viele Außentoiletten; sie sind aber fast immer blitzblank sauber.
Und noch ein Unterschied zu Pekings Außentoiletten ist festzustellen: die Rotary-Club-Toilette kostet Geld: "2 rupies for pissing, 4 rupies for other", erfahren wir.
3-4 Rupies kostet ein Tee vom Straßenverkäufer, für 5 Rupies bekommt man in Kalkutta einen sättigenden Samosa. Für etwa 10-20 Rupies bekommt man auf der Straße ein volles Essen ... 
Toilettengeld in solcher Größenordnung - das ist Geld, das sich die unzähligen Obdachlosen Kalkuttas vom Mund absparen müssten, um es sozusagen ins Klo zu werfen ...

Am frühen Morgen werden für eine gewisse Zeit die Hydanten an den Straßen aufgemacht, so dass die Obdachlosen sich am Rinnstein waschen können.

Während unseres Aufenthalts feiert Kalkutta „Durga Puja“ – das größte Fest der Stadt, zu Ehren der vielarmigen Göttin Durga. Wir buchen eine teure, aber lohnende Motorradtour: 4 Motorräder, 4 indische Fahrer, 4 Fahrgäste (2 indische, 2 deutsche). Von 22:30 bis 2:30 Uhr geht es in atemberaubendem Tempo durch den teilweise immer noch dichten Verkehr.
Wir fahren zu den schönsten Durga-Puja-Installationen der Stadt. Die beeindruckendsten Installationen sind hausgroße, begehbare, unglaublich vielseitige und bunte Phantasien aus Styropor, Pappe, Holz und Papier, die in wochenlanger Arbeit errichtet werden. Dazu gehören Durga-Statuen, die einige Tage später rituell im Fluss versenkt werden.

Zwei Wochen bleiben wir in Kalkutta, wohnen privat in einem schlichten aber hübschen Studio-Apartment, mit Kochgelegenheit, indischen Antiquitäten und muffig-feuchtem Bad.
Das Privathaus, in dem sich unser Apartment befindet, ist sehr groß und liegt in einer guten und zentralen Gegend. Im Hof stehen ein Oldtimer und eine neue große Limousine.
Ebenfalls im Hof befindet sich eine Reihe winziger fensterloser Kammern, gerade so lang wie ein Bett. Dort wohnt das Dienstpersonal. Manchmal riskieren wir einen verstohlenen Blick hinein, wenn die Türen offenstehen, weil es drin zu stickig ist zum Schlafen. Sie sind etwa 4-6 qm groß.

Eines Tages beobachten wir, wie unser freundlicher, rundlicher Gastgeber einen seiner Dienstboten anbrüllt und schlägt.
Stunden später wirken beide völlig entspannt; nichts in den Gesichtern lässt erkennen, dass etwas Außergewöhnliches vorgefallen war. Alles ist wie immer.

Die Schönheit eines Reiseziels verhält sich nicht proportional zur Entfernung.
Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet.
« Letzte Änderung: 10.März 2015 02:14:57 von My4Seasons » Moderator benachrichtigen   Gespeichert
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Re:Indien - ein anderer Reisebericht
« am: 9.März 2015 23:38:58 »
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Varanasi

war vor 20-25 Jahren eine bezaubernde heilige Stadt. Ich war damals ganz ergriffen von ihr und hatte mir geschworen wiederzukommen.
Nun also ein Wiederholungsbesuch.

Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt werden wir von dichtem Smog empfangen. Viele kleine Feuer, in denen Plastiktüten und  Müll verbrannt oder Essen zubereitet wird.
In der Stadt sieht man überall Schmutz und Unrat. Am meisten stören uns die Exkremente, von Kühen, Büffeln, Ziegen und Menschen, an den heiligen Ghats und in den Gassen. Und das endlose Hupen, der dichte Verkehr in der nun gar nicht mehr verträumt wirkenden Stadt.

Der heilige Ganges ist bei Varanasi eine unfassbare Kloake aus cadmium-verseuchtem Schlamm, Industrieabwässern, Exkrementen, Asche von Leichenverbrennungen sowie Leichenteilen.

Ein paar junge Inder fangen mit uns am Ghat ein Gespräch an und fragen freundlich, wie uns Varanasi gefalle. Wir hatten zuvor eine Weile dagestanden und düster die Badetreppe angestarrt. Als wäre es selbsterklärend deuten wir zunächst sprachlos auf die braune Brühe und die Müllhaufen und äußern dann unser Unverständnis, dass man sogar am heiligen Fluss solchen Unrat vorfindet.
Antwort: "der Ganges ist heilig; er kann gar nicht schmutzig sein, das hat sogar ein wissenschaftlicher Test bestätigt".
Ich bin entsetzt. Gerade hatte ich sie noch als Studenten eingeschätzt. Wie kann das sein. Ich erzähle von dem Zeitungsartikel, den ich kurz zuvor gelesen hatte, und schlage den wohl etwas erstaunten Männern vor, dass Indien sich erstmal die Zustände auf der indischen Erde vornehmen solle, bevor es Marssonden in den Weltraum schickt (was kurz zuvor stolz in den Medien berichtet worden war).
Ein sinnloses Gespräch und ein schwaches Ventil für unsere Empörung.

Man kann an den Ghats Tage verbringen. Es gibt viel zu sehen: Gläubige, die in diesem Fluss baden, Scharlatane, die auf westliche Kundschaft warten, Trauernde, die ihren Kopf scheren lassen, feiste Brahmanen und Masseure, Teeverkäufer und Wäsche-Wallahs, Büffel und Ziegen.
Eine Gruppe japanischer Touristen bewegt sich vorsichtig die glitschigen Ghats entlang. Um ihre Schuhe und Waden haben sie Plastiktüten gebunden. Außerdem tragen sie Handschuhe und Mundschutz. - Ich kenne Japan gut genug um zu ahnen, wie sehr es diese armen Leute grausen muss.
Aber vielleicht ist es ja gut für's Karma.
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My4Seasons

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Re:Indien - ein anderer Reisebericht
« am: 10.März 2015 00:13:18 »
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Amritsar

ist die heilige Stadt der Sikhs (bärtige Männer mit Turbanen) und ihrer Frauen, denen die Hälfte des Himmels gehört.
Anders als die Hindus sind die Sikhs nicht frauenfeindlich. Dementsprechend sieht man in Amritsar viel mehr Mädchen und Frauen als in hinduistischen Städten.
Sikhs werden wegen ihrer Bärte und Turbane von ignoranten Zeitgenossen oft für Islamisten gehalten und angefeindet. Nichts könnte falscher sein. Zum einen ist der Sikhismus eine eigene Religion, zum anderen glauben Sikhs nicht nur an Toleranz - sie praktizieren sie auch. In ihrem berühmten Goldenen Tempel sind alle Menschen willkommen, ganz gleich, welcher Religion sie angehören.

Der Tempel ist 23 Stunden am Tag geöffnet. Er heißt „golden“ weil ein Teil der Gebäude mit Gold belegt ist. Ansonsten besteht die Tempelanlage aus feinstem Marmor. Von der ganzen Anlage geht ein Strahlen aus, verstärkt durch Lämpchen, die sich im heiligen Wasserbecken spiegeln.
Der Tempel wird von imposanten Wächtern mit Säbeln, Krummdolchen und Lanzen beschützt.

Zentrales Element des Gottesdienstes ist das gemeinsame Essen im Tempel, das durch  Spenden finanziert wird und bei dem jedermann willkommen ist: gemeinsam zu essen symbolisiert zum einen die religiöse Grundforderung der Wohltätigkeit und des Teilens, zum anderen die Ablehnung des hinduistischen Kastendenkens.

Wir waren mehrere Tage in Amritsar, haben den Tempel zu verschiedenen Tageszeiten besucht. Wir sind durch schmale Gassen gestreift, haben einen interessanten Basar und malerische Handwerkerläden gesehen. Was wir dort nicht gesehen haben: Bettler und Obdachlose.
Die Stadt hat uns sehr gefallen; die Sikhs haben uns sehr gefallen.

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« Letzte Änderung: 10.März 2015 02:4:11 von My4Seasons » Moderator benachrichtigen   Gespeichert
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